18.11.2020
Lange hat die Überzeugungsarbeit gedauert: Vor über 20 Jahren hat Stefan Zöllig aufgezeigt, dass Holz die richtige Baustoffwahl ist für Grünbrücken. Jetzt ist sie gebaut, die erste Wildtierbrücke aus Holz. Weitere werden folgen.
305 Wildtierkorridore von überregionaler Bedeutung gibt es in der Schweiz. Viele davon mit ungünstigen Bedingungen für die Tiere, wie unpassierbare Autobahnen, stark befahrene Kantonsstrassen oder Bahnstrecken. Weil Verkehrswege die Lebensräume der wildlebenden Tiere durchtrennen, legte das Bundesamt für Umwelt solche Wildtierkorridore von überregionaler Bedeutung fest. Der Korridor "AG6" verbindet das Juragebiet mit dem Mittelland und führt zwischen Gränichen und Suhr über die Autobahn A1. Bald ermöglicht eine 50 Meter breite Bogenkonstruktion den Wildtieren die sichere Überquerung der Autobahn.
In der aktuellen Ausgabe des First-Magazins wird der grüne Teppich über die A1 vorgestellt.
Hier finden Sie den spannenden Bericht von Sandra Depner.
Lange Überzeugungsarbeit
Timbatec engagiert sich seit über zwanzig Jahren für Wildtierbrücken in Holzbauweise. 1998 wurde in einem Grundlagenbericht am Beispiel der Grünbrücke Chüsenrain in Neuenkirch (Luzern) aufgezeigt, dass Holz als einheimischer Rohstoff eine kostengünstige und ökologische Alternative für Grünbrücken ist. Dieser Bericht wurde von Stefan Zöllig im Auftrag der Schweizerischen Gesellschaft für Wildtierbiologie zuhanden der Schweizerischen Vogelwarte Sempach verfasst.
2005 hat das Departement für Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau die moser+colombo architektur gmbh und Timbatec mit einer Konzeptstudie beauftragt. Das Resultat war eindeutig: Wildtierüberführungen über Autobahnen lassen sich trotz hoher Erdlasten und Anprallkräfte mit einem Holztragwerk problemlos realisieren.
Rund 70’000 Fahrzeuge passieren täglich die Wildtierbrücke aus Holz
In den Vorprojektphasen wurden Ausführungen in Beton und Holz einander gegenübergestellt. Neben der Wirtschaftlichkeit sollte die Konstruktion wartungsarm und beständig sein. Eine spätere Erweiterung der Autobahn von zwei auf drei Fahrspuren wurde in der Planung berücksichtigt. Der Verkehrsfluss auf der Autobahn muss auch während der Bauzeit jederzeit gewährleistet werden können. Das Astra hat sich schlussendlich für die Holzvariante entschieden.
CO₂-Speicher
Ein Kubikmeter Holz entlastet die Atmosphäre um etwa eine Tonne CO₂, denn Bäume wandeln beim Wachstum dank der Fotosynthese CO₂ in Sauerstoff und Kohlenstoff um. Die Herstellung eines Kubikmeters Stahlbeton verursacht laut KBOB dagegen rund 500 Kilogramm CO₂. Holz hat damit in der Klimafrage deutlich die Nase vorn.
Die Ausführung der Wildtierüberführung in Beton hätte einen CO₂-Ausstoss von 520 Tonnen CO₂ verursacht. Bei der realisierten Holzversion wurden für die Produktion des Brettschichtholzes und für die Herstellung der Stahlgelenke 210 Tonnen CO₂ emittiert. Gleichzeitig speichert das verbaute Holz dank der Fotosynthese 775 Tonnen CO₂. Netto sind 565 Tonnen CO₂ in der Wildtierbrücke Rynetel gespeichert. Die Differenz zwischen der Holz- und der Betonversion beträgt somit 1'085 Tonnen CO₂! Die 850 Kubikmeter Bauholz für die Wildtierbrücke in Suhr wachsen im Schweizer Wald innerhalb von 3 Stunden und 26 Minuten wieder nach.
Herstellung und Montage
Mit der Ausführung war die ARGE FERA mit der Aarvia Bau AG und Häring AG beauftragt. Die benötigten 156 BSH-Bogenträger wurden bei Hüsser Holzleimbau AG in Bremgarten vorgefertigt. Die Träger sind 17.4 Meter lang, haben einen Querschnitt von 24 mal 76 Zentimetern und wiegen jeweils zwei Tonnen. Dafür wurden Fichtenbretter mit einer grossen Leimpresse und einem RF-Klebstoff formstabil verklebt. Stahlgelenke an beiden Seiten der Träger dienen als Auflager.
Herstellung des Brettschichtholzes bei der Firma Hüsser Leimbau AG
Für die Montage des Tragwerks wurde die Autobahn während 24 Nächten jeweils von 21.30 Uhr bis 4 Uhr morgens auf zwei Fahrspuren reduziert. In der Woche vom 26.10. – 30.10.2020 wurden die Abdichtungsarbeiten fertig gestellt. Bis Ende 2020 wird dann die Holzbrücke mit Wurzelschutzfolie, Sickergeröll, Drainage-Matte und Erdreich für die Bepflanzung fertig gestellt.
Die Montage hat jeweils nachts stattgefunden. Auf der anderen Spur rollte der Verkehr weiter.
Facts and Figures
Oben: Blick von der Fahrbahn
Unten: Detail Auflager der Holzträger auf der Ortbetonwand